Kriegsgefangenenlager Bergen-Belsen (1940–1945)

Etwa einen Kilometer südlich des Kasernengeländes brachte die Wehrmacht ab 1940 in einem ehemaligen Arbeiterlager aus der Bauzeit der Kaserne ein Arbeitskommando mit französischen und belgischen Kriegsgefangenen unter. 1941 wurde das Lager erweitert und Standort des Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlagers (Stalag) 311 (XI C) für sowjetische Kriegsgefangene. In den nahe gelegenen Ortschaften Oerbke und Wietzendorf wurden zwei weitere sogenannte Russenlager eingerichtet.


Bis Kriegsende kamen in diesen drei Lagern mindestens 50.000 sowjetische Kriegsgefangene ums Leben. Im Sommer 1943 wurde das Stalag XI C Bergen-Belsen aufgelöst, ein Teil des Lagers wurde – nunmehr als „Zweiglager“ des Stalag Fallingbostel – bis Januar 1945 als zentrales Lazarett für sowjetische Kriegsgefangene und Italienische Militärinternierte genutzt.

  • Sowjetische Kriegsgefangene

    Sowjetische Kriegsgefangene

    Im Juli 1941 trafen die ersten Transporte aus der Sowjetunion in Bergen-Belsen ein; bis Anfang November wurden etwa 21 000 sowjetische Kriegsgefangene in das Mannschafts-Stammlager gebracht. Das angeschlossene Lazarett wurde in den Holzbaracken des ehemaligen Heeresneubaulagers untergebracht. Im Hauptlager sollten neue massive Unterkünfte errichtet werden, deren Bau allerdings nur zögerlich vorankam. Infolgedessen vegetierten die Gefangenen bis in den Herbst hinein in selbst gebauten Erdhöhlen, Laubhütten oder provisorischen Zelten. Die vollkommen unzureichende Verpflegung trug zu Auszehrung und Massenerkrankungen bei. Bereits ab August grassierte die Ruhr im Lager. 

    Knapp 10 000 Gefangene wurden im Sommer und Herbst 1941 in die rund 150 Arbeitskommandos des Stalag XI C (311) Bergen-Belsen gebracht. Mindestens 500 Kriegsgefangene wurden durch ein Gestapo-Einsatzkommando selektiert und im KZ Sachsenhausen ermordet. Dieses Mordprogramm galt vor allem den Juden und den politischen Funktionären unter den Kriegsgefangenen. 

    Nach dem Ausbruch von Fleckfieber wurde das Lager im November 1941 unter Quarantäne gestellt. Aus den Arbeitskommandos der Stalags Bergen-Belsen, Fallingbostel und Oerbke wurden Tausende Kranke und Arbeitsunfähige eingeliefert. Bis Frühjahr 1942 starben in Bergen-Belsen etwa 14 000 sowjetische Kriegsgefangene infolge der tödlichen Existenzbedingungen im Lager und im Arbeitseinsatz. Die Toten wurden zunächst in Einzel-, ab Oktober 1941 in Massengräbern auf dem etwa 600 m entfernten Lagerfriedhof beerdigt. 

    Ab Sommer 1942 befanden sich außerhalb des Lazaretts nur noch wenige Gefangene im Lager. Mit Übernahme des südlichen Lagerteils durch die SS im Juni 1943 wurde das Stalag XI C (311) aufgelöst. Das Lazarett mit seinen 1200 Betten blieb jedoch als Zweiglager des Stammlagers XI B Fallingbostel weiter bestehen. Dorthin wurden kranke Kriegsgefangene aus den Arbeitskommandos in der Region gebracht. So starb hier weiterhin eine große Anzahl von Menschen. 

    Im Januar 1945 wurde das Kriegsgefangenenlager schließlich von der Wehrmacht aufgegeben. Damit wurde das Gelände der SS überlassen. Auf dem Lagerfriedhof waren inzwischen über 19 500 sowjetische Kriegsgefangene begraben.

     
  • Italienische Militärinternierte

    Italienische Militärinternierte

    Das faschistische Italien war bis zum Sommer 1943 mit dem Deutschen Reich verbündet. Nach der Absetzung des Diktators Mussolini und der anschließenden Kapitulation Italiens gegenüber den Alliierten besetzte die Wehrmacht Norditalien und etablierte hier einen neuen faschistischen italienischen Marionettenstaat. Etwa 600 000 italienische Soldaten, die den weiteren Kampf an deutscher Seite verweigerten, wurden entwaffnet und zur Zwangsarbeit nach Deutschland transportiert. In den Augen der nationalsozialistischen Führung, der Wehrmacht und der deutschen Bevölkerung waren sie Verräter. Der Kriegsgefangenenstatus gemäß den Schutzbestimmungen der Genfer Konvention wurde ihnen vorenthalten. Sie wurden offiziell als internierte Soldaten eines weiterhin verbündeten Staates betrachtet und als „Italienische Militärinternierte“ (IMI) bezeichnet. Damit entfielen für sie überlebenswichtige Leistungen des Internationalen Roten Kreuzes wie Lebensmittelpakete, Medikamentenlieferungen und Kontrollbesuche internationaler Delegationen. 

    Im Herbst 1943 dienten die Lager Oerbke und Wietzendorf als Durchgangslager für Zehntausende von italienischen Militärinternierten, die von dort aus zu Arbeitskommandos in ganz Norddeutschland gebracht wurden. Ab Januar 1944 war Wietzendorf eines der größten Lager für italienische Offiziere (Oflag 83). Im Lager Oerbke gab es ein Lazarett für italienische Militärinternierte, das Ende Juli 1944 in abgesonderte Bereiche des Kriegsgefangenenlazaretts Bergen-Belsen verlegt wurde. Die Kranken litten meist unter Lungentuberkulose oder den Folgen von Arbeitsunfällen. Bis zum Kriegsende starben im Lazarett Bergen-Belsen 142 Italienische Militärinternierte, die in einem separaten Areal am Rande des Kriegsgefangenenfriedhofs beerdigt wurden.

     
  • Polnische Kriegsgefangene

    Polnische Kriegsgefangene

    Im Oktober 1944 wurden etwa 1000 weibliche und männliche Offiziere sowie Soldatinnen und Soldaten der polnischen Untergrundorganisation Armia Krajowa (Heimatarmee) in das Zweiglager Bergen-Belsen eingeliefert, die Hälfte davon Frauen. Sie wurden in einem abgetrennten Barackenkomplex untergebracht. Die Armia Krajowa hatte im August 1944 in Warschau einen Aufstand gegen die deutschen Besatzer organisiert. Unter den Gefangenen befanden sich auch der stellvertretende Kommandant der Aufständischen und weitere Angehörige der militärischen Führung der Armia Krajowa sowie der kulturellen Elite Warschaus. 

    Die Wehrmacht hatte den Aufständischen bei ihrer Kapitulation eine Behandlung nach den Bestimmungen der Genfer Konvention zugesichert. Die polnischen Kriegsgefangenen wurden daher deutlich besser behandelt als die sowjetischen Kriegsgefangenen und die italienischen Militärinternierten. Eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes durfte sie in Bergen-Belsen besuchen. 

    Die Angehörigen der polnischen Heimatarmee verbrachten nur kurze Zeit im Kriegsgefangenenlager Bergen-Belsen. Die weiblichen Offiziere wurden bereits Ende Dezember 1944 in ein Lager nahe Erfurt gebracht. Die einfachen Soldatinnen wurden zur gleichen Zeit in das Lager Oberlangen im Emsland verlegt, wo sie im April 1945 von polnischen Einheiten innerhalb der britischen Armee befreit wurden. Die 500 männlichen Offiziere erlebten eine Odyssee: Im Januar 1945 von Bergen-Belsen in ein Lager in Pommern transportiert, mussten sie bald von dort vor der anrückenden Front wochenlang Richtung Westen marschieren. Nach einer Zwischenstation im Kriegsgefangenenlager Sandbostel wurden sie schließlich am 2. Mai 1945 in Lübeck von britischen Truppen befreit.