Konzentrationslager Bergen-Belsen (1943–1945)

Im April 1943 übernahm die SS einen Teil des Lagergeländes von der Wehrmacht und nutzte ihn als Konzentrationslager. Zunächst diente es vorrangig der Unterbringung jüdischer Häftlinge, die gegen im Ausland internierte Deutsche ausgetauscht oder gegen materielle Gegenleistungen freigelassen werden sollten.

Ab dem Frühjahr 1944 nutzte die SS Bergen-Belsen zusätzlich zur Unterbringung nicht mehr arbeitsfähiger männlicher Häftlinge aus anderen Konzentrationslagern, von denen sehr viele starben. Wenig später kam ein Lagerabschnitt für weibliche Häftlinge hinzu, die von hier aus in die Zwangsarbeit an anderen Orten in Deutschland geschickt werden sollten. Ab Ende 1944 wurde Bergen-Belsen Ziel von Räumungstransporten aus frontnahen Konzentrationslagern.

Vor allem Hunger und Seuchen forderten allein im März 1945 mehr als 18 000 Opfer. Am 15. April 1945 befreiten britische Truppen das Lager. Von insgesamt 120 000 Häftlingen aus fast allen Ländern Europas starben hier mehr als 52 000 Männer, Frauen und Kinder.

  • Austauschlager

    Austauschlager

    Die SS übernahm im April 1943 von der Wehrmacht den südlichen Teil des Kriegsgefangenenlagers Bergen-Belsen und richtete dort das „Aufenthaltslager Bergen-Belsen“ ein. Es sollte als Lager für verschiedene Gruppen von Jüdinnen und Juden dienen, die von SS und Auswärtigem Amt zum Austausch gegen im feindlichen Ausland internierte Deutsche, Devisen oder Güter vorgesehen waren. Diese Geiseln wurden vorerst von der Vernichtung ausgenommen. Als „Austauschhäftlinge“ kamen insbesondere Juden in Betracht, die über offizielle Einwanderungspapiere der britischen Mandatsbehörde in Palästina verfügten, eine Staatsangehörigkeit westlicher Feindstaaten besaßen oder hohe Positionen in jüdischen Organisationen innegehabt hatten. 

    Die Lebensbedingungen der Häftlinge waren zunächst deutlich besser als in anderen Konzentrationslagern. Sie durften persönliches Gepäck mitnehmen und Zivilkleidung tragen, im Geheimen konnte sich ein kulturelles und religiöses Leben entfalten. Aus dem Austauschlager sind zahlreiche Gedichte, Zeichnungen sowie bisher 27 Tagebücher überliefert. 

    In der Regel wurden keine Einzelpersonen in das Austauschlager gebracht, sondern ganze Familien, auch wenn manchmal nur ein einziges Familienmitglied die Bedingungen für einen späteren Austausch erfüllte. Zwischen Juli 1943 und Dezember 1944 wurden mindestens 14 600 jüdische Häftlinge, davon 2750 Kinder und Jugendliche, in das Austauschlager Bergen-Belsen transportiert. Hier hatte die SS für die verschiedenen Häftlingsgruppen voneinander abgegrenzte Teillager eingerichtet: das „Sternlager“ mit einem großen Anteil niederländischer Juden, das „Ungarnlager“, das „Sonderlager“ für polnische Juden sowie das „Neutralenlager“ für Häftlinge aus neutralen Staaten. 

    Insgesamt gelangten nur etwa 2560 jüdische Häftlinge mit verschiedenen Transporten aus Bergen-Belsen in die Freiheit.

     
  • Männer- und Frauenlager

    Männer- und Frauenlager

    Im Kriegsverlauf wurden zunehmend KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion eingesetzt. Die Funktionen des als „Austauschlager“ gegründeten Konzentrationslagers Bergen-Belsen erweiterten sich. Ab Ende März 1944 wurden arbeitsunfähige männliche Häftlinge aus anderen Konzentrationslagern in einem abgesonderten Bereich innerhalb des Lagers, dem „Männerlager“, untergebracht. Nach ihrer Genesung sollten sie angeblich in die Ausgangslager zurücktransportiert und weiter zur Arbeit gezwungen werden. Doch Tausende Häftlinge kamen in Bergen-Belsen durch Krankheiten, Hunger, Erschöpfung und die mangelnde medizinische Versorgung um. 

    Im August 1944 wurde im KZ Bergen-Belsen ein weiterer Lagerabschnitt für weibliche Häftlinge eingerichtet, das „Frauenlager“. Zwischen August und Ende November 1944 brachte die SS etwa 9000 Frauen und Mädchen in diesen Lagerabschnitt. Die Mehrzahl der arbeitsfähigen Frauen und Mädchen wurde nach kurzem Aufenthalt zur Zwangsarbeit in andere Lager sowie in drei Außenlager des KZ Bergen-Belsen weiterverteilt. 

    Die Frauen wurden in den ersten Monaten provisorisch auf einer großen freien Fläche des Lagerareals in Zelten untergebracht. Erst nachdem im November 1944 ein Sturm die Zelte zerstört hatte, teilte man ihnen Baracken zu. Zunächst handelte es sich um Polinnen, die während des Warschauer Aufstands verhaftet und zum Teil zusammen mit ihren Kindern deportiert worden waren. Später waren die meisten von ihnen polnische und ungarische Jüdinnen aus dem KZ Auschwitz. 

    Unter den Frauen, die in Bergen-Belsen blieben, waren auch Margot und Anne Frank, die dort im März 1945 starben.

     
  • Auffang- und Sterbelager

    Auffang- und Sterbelager

    Im Sommer 1944 begann die SS, frontnahe Lager zu räumen und Zehntausende Häftlinge unter katastrophalen Umständen in zentralere Lager zu transportieren. Mit mehr als 100 Transporten und Todesmärschen wurden ab Dezember 1944 mindestens 85 000 Männer, Frauen und Kinder nach Bergen-Belsen gebracht. Die Fahrten in überfüllten Viehwaggons und die Fußmärsche dauerten teilweise mehrere Wochen. 

    Diese Transporte von Tausenden Menschen, die sehr rasch aufeinanderfolgten, führten zu einer völligen Überfüllung des Lagers. Nachdem die Wehrmacht im Januar 1945 der SS das Areal des bis dahin bestehenden Kriegsgefangenenlazaretts überlassen hatte, wurde das Frauenlager erweitert und das Männerlager erheblich vergrößert. Trotzdem waren die vorhandenen Baracken nach kurzer Zeit vollkommen überbelegt. Die Versorgungssituation der Häftlinge war katastrophal. Eine Typhus- und Fleckfieberepidemie brach aus, die von der SS nie ernsthaft bekämpft wurde. Für die Häftlinge des Austauschlagers spielte ihr anfänglicher Sonderstatus nun keine Rolle mehr. Sie waren in den letzten Monaten vor Kriegsende den gleichen unvorstellbar grausamen Lebensbedingungen ausgesetzt wie alle übrigen Häftlinge. 

    Anfang April 1945 räumte die SS das Austauschlager weitgehend. Etwa 6700 Häftlinge sollten mit drei Bahntransporten vermutlich in das Ghetto Theresienstadt verlegt werden. Doch nur ein Zug erreichte dieses Ziel. Die beiden anderen Züge wurden am 13. April 1945 bei Farsleben von amerikanischen und am 23. April bei Tröbitz von sowjetischen Truppen befreit. 

    Gleichzeitig schickte die SS weitere Räumungstransporte nach Bergen-Belsen. Anfang April 1945 brachte sie etwa 15 000 neu eingetroffene Häftlinge in Gebäuden der nahe gelegenen Wehrmachtskaserne unter.

     
  • Befreiung

    Befreiung

    Nach mehrtägigen Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Wehrmacht und britischer Armee übernahmen am 15. April 1945 britische Truppen kampflos das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Kurz zuvor hatte die SS die Akten der Lagerverwaltung vernichtet, um die schriftlichen Dokumente ihrer Verbrechen zu beseitigen. Die britischen Soldaten waren in keiner Weise auf das Inferno vorbereitet, das sie vorfanden, als sie dort eintrafen. Für Tausende der mindestens 53 000 befreiten Häftlinge kam die Rettung zu spät. Trotz der rasch eingeleiteten medizinischen Hilfe des britischen Militärs und verschiedener Hilfsorganisationen starben allein bis Juni 1945 noch etwa 14 000 der Befreiten an den Folgen ihrer KZ-Haft. 

    Das SS-Personal, das die britischen Soldaten bei der Übernahme des Lagers antrafen, wurde entwaffnet und unter Arrest gestellt. In den darauf folgenden Tagen mussten männliche wie weibliche Angehörige der SS auf dem Gebiet des ehemaligen Lagers Massengräber ausheben und Zehntausende von Leichen bestatten. 

    Die britischen Truppen wurden von Militärfotografen und Kameraleuten begleitet, deren Aufgabe es war, die Zustände in Bergen-Belsen sowie die sofort eingeleiteten Hilfsmaßnahmen zu dokumentieren. Ihr Einsatz erstreckte sich vom Tag nach der Befreiung bis in den Juni 1945. Hunderte Fotografien und Filmaufnahmen sowie die Notizen der Fotografen lassen das Ausmaß der Verbrechen in Bergen-Belsen erahnen. Viele dieser Aufnahmen wurden weltweit veröffentlicht und prägen bis heute die Erinnerung an die nationalsozialistischen Konzentrationslager.