Foto: Jakob Ganslmeier
Blick in die Ausstellung auf die Installation "77 Circles", Foto: Martin Bein 2023
Vernissage mit den Künstler_innen Ana Zibelnik und Onias Landveld, Foto: Martin Bein 2023
Vorstellung des Chatbots "Let's discuss" auf der Vernissage, Foto: Martin Bein 2023
Blick in die Ausstellung auf die Installation "Redpilled", Foto: Martin Bein 2023

If A Tree Fell In A Forest

Eine Ausstellung von Jakob Ganslmeier in Zusammenarbeit mit Onias Landveld, Ana Zibelnik und Oddkin

Die Komplexität der Geschichte braucht mehrere Perspektiven und ohne den Blick auf Täter_innen wird auch die Darstellung der Opfer unvollständig. Lange hat die Gedenkstätte Bergen-Belsen - aus guten Gründen – die Opfer der hiesigen Lager in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt. Nun soll das Thema Täterschaft stärker beleuchtet werden.

 

In dem europäischen Kooperationsprojekt Houses of Darkness der Gedenkstätten Bergen-Belsen (Deutschland), Westerbork (Niederlande) und Falstad (Norwegen) wurden Künstler eingeladen, sich ausgehend vom Wohnhaus der jeweiligen Lagerkommandanten mit dem Thema Täterschaft auseinanderzusetzen. Für Bergen-Belsen ist dabei eine Videoinstallation des Fotografen Jakob Ganslmeier unter Mitwirkung von Onias Landveld, Ana Zibelnik und Oddkin entstanden, die vom 17. Februar bis 30. November 2023 im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte zu sehen ist.

 

Die Ausstellungsentwicklung wurde durch Paradox aus den Niederlanden betreut, die seit vielen Jahren die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen in Ausstellungen, Publikationen oder Online-Präsentationen mitgestalten.

 

 

 

Über die Installation

Wenn ein Baum in einem Wald umfällt und niemand da ist, um es zu hören, hat er dann wirklich ein Geräusch gemacht? In Anlehnung an dieses philosophische Gedankenexperiment wirft die Multi-Screen-Videoinstallation If a Tree Fell in a Forest die Frage auf, ob auch Täterschaft, von der wir nichts wissen, eine Bedeutung hat. In einer Zeit von zunehmendem Rechtsextremismus, geht es in A Mirrored Image, Redpilled und 77 Circles um Unwissen, die Zugänglichkeit von Täter-Narrativen und auch generationelle und kulturelle Brüche.

77 Circles (77 Kreise) zeigt Reservisten der Bundeswehr, die das Areal des Hauses eines Kommandanten in einem ehemaligen Konzentrationslager abholzen. Und obwohl diese Handlung, die auf Bitten des Künstlers ausgeführt wurde, unter Historikern und einer älteren Generation von Zuschauern eine heftige Debatte auslösen würde, würde sie einen großen Teil der heutigen Jugend gleichgültig lassen. Sollen Täter eine Rolle in unseren historischen Narrativen spielen, oder sollten wir uns weiter fast ausschließlich auf die Opfer konzentrieren?

 

Die ältere Generation andererseits – unfähig einen großen Teil der kryptischen Insidersprache und -symbolik der Meme-Kultur zu lesen, abgeschreckt von der einfachen Ästhetik der Meme-Kultur und nicht empfänglich für ihren nihilistischen Humor – neigt dazu, den Online-Diskurs als harmlos abzutun. Wie Redpilled zeigt, ist die schnell wachsende Bedrohung der Online-Radikalisierung und ihrer Taktiken allerdings real. Extremistische Online-Narrative haben begonnen, existierende Formen von Erinnerungskultur und ihre üblichen Verbreitungswege zu überschatten.

 

„Meine Vorstellung wurde von Hollywood geschult“, sagt Spoken-Word-Künstler Onias Landveld in A Mirrored Image (Ein gespiegeltes Bild). Landveld ist in Surinam aufgewachsen, einer ehemaligen holländischen Kolonie in Lateinamerika. In seiner Video-Zusammenarbeit mit Ganslmeier, der in Deutschland in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers in Dachau aufgewachsen ist, denkt er über seine Vorstellung des Holocausts nach, die stark durch dessen Darstellung in der Populärkultur beeinflusst ist. „Meine Konflikte, meine Kriege. Sie finden auf einem anderen Schlachtfeld statt“, erklärt er in dem Video, während Ganslmeiers Kamera ihm folgt, als er über das Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen und den noch genutzten Truppenübungsplatz wandert, das diese umgibt. Ihre Zusammenarbeit deckt die kulturelle Distanz zwischen dem Holocaust- und dem Kolonialismusdiskurs auf, und auch unser Scheitern, beide in einen Dialog zu bringen.

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